Singen & Forschung

Wie wichtig musikalische Früherziehung für Kinder ist, und wie sich deren zentrale Kompetenzen (z.B. rhetorische Fähigkeiten, fächerübergreifendes Denken, Teamarbeit) durch frühes Singen oder durch frühen Instrumentalunterricht entwickeln können, zeigen diverse Forschungsergebnisse.

In Musikerhirnen ist mehr graue Substanz vorhanden.

Mithilfe von Schnittbildern des menschlichen Gehirns und anderen Methoden zeigt sich, dass...


-in Musikerhirnen die Dichte der grauen Substanz, also die Dichte an Nervenzellen, zunimmt (vor allem in Regionen, die für die Motorik, die auditive und die räumlich-visuelle Wahrnehmung zuständig sind),


-die verschiedenen Gehirnregionen, die für Hören, Bewegen, Sehen, Planen zuständig sind, durch regelmässiges Musizieren besser vernetzt werden,


-das sogenannte Corpus callosum, die Verbindung zwischen beiden Hirnhälften, welche dem Informationsaustausch und der Koordination zwischen diesen Hemisphären dient, bei Musizierenden kräftiger ausgebildet ist,


-Kinder durch das Notenlesen Bereiche ihres Gehirns trainieren, die für das räumliche Denken verantwortlich sind, was wiederum für die körperliche Koordination entscheidend ist,


-Musikerhirne mit zunehmendem Alter keine oder weniger grosse Abnahme der grauen Substanz zeigen - die Plastizität des Gehirns ("das Gehirn lernt") unter Einfluss der Musik sich also in gewisser Weise auf das gesamte Leben auswirkt.


Quellen:

Gottlieb Schlaug, Grey matter differences between musicians and nonmusicians, Harvard Medical School Boston

Hirnliga.ch, Musik hält das Gehirn auf Trab

Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie Zürich, Music drives brain plasticity

Lutz Jäncke, Macht Musik schlau?

"Singen ist Kraftfutter für Kindergehirne"

Die Bedeutung des Singens für die Hirnentwicklung



Kindergehirne entwickeln sich nicht von allein. Damit es unseren Kindern gelingt, in ihrem Gehirm all die vielen komplexen Netzwerke herauszuformen, die erforderlich sind, um sich später im Leben zurechtzufinden, brauchen sie unsere Hilfe. Wir müssen ihnen zeigen und sie ermutigen, all das zu erlernen, worauf es im Leben ankommt. Dabei geht es weniger um den Erwerb von Wissen, sondern vor allem um die Aneignung all jener Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie in die Lage versetzen, sich mit der Welt in Beziehung zu setzen und sich dabei selbst Wissen anzueignen und eigene Erfahrungen zu sammeln. Alles, was die Beziehungsfähigkeit von Kindern - zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Natur und zur Kultur in der sie leben - verbessert, ist deshalb die wichtigste "Entwicklungshilfe", die wir unseren Kindern bieten können.  Indem Kinder gleichzeitig mit sich selbst, mit anderen Menschen und dem was sie umgibt, in Beziehung treten, stellen sie Netzwerke her, erhöhen sie das Ausmass der Konnektivität. Die Gelegenheiten, bei denen Kindern das gelingt, sind Sternstunden für Kindergehirne.


Diese Sternstunden werden in einer von Effizienzdenken, Reizüberflutung, Verunsicherung und Anstrengung geprägten Lebenswelt leider immer seltener.


Im gemeinsamen, unbekümmerten und nicht auf das Erreichen eines bestimmten Zieles ausgerichteten Singen erleben Kinder solche Sternstunden. Sie sind Balsam für ihre Seele und Kraftfutter für ihr Gehirn.


In solchen Augenblicken werden in ihrem Gehirn gleichzeitig sehr unterschiedliche Netzwerke aktiviert und miteinander verknüpft:


1. Es kommt beim Singen zu einer Aktivierung emotionaler Zentren und einer gleichzeitigen positiven Bewertung der dadurch ausgelösten Gefühle. So wird das Singen mit einem lustvollen, glücklichen, befreienden emotionalen Zustand verkoppelt ("Singen macht das Herz frei").


2. Das gemeinsame, lustvolle Singen führt zu sozialen Resonanzphänomenen. Die Erfahrung von "sozialer Resonanz" ist eine der wichtigsten Ressourcen für die spätere Bereitschaft, gemeinsam mit anderen Menschen nach Lösungen für schwierige Probleme zu suchen.


3. Gemeinsames Singen aktiviert die Fähigkeit zur "Einstimmung" auf die Anderen, und schafft so eine emotional positiv besetzte Grundlage für den Erwerb sozialer Kompetenzen: Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen, Selbstdisziplin und Verantwortungsgefühl.


4. Beim Singen kommt es individuell zu sehr komplexen Rückkopplungen zwischen erinnerten Mustern (Melodie, Tempo, Takt) und dem zum Singen erforderlichen Aufbau sensomotorischer Muster (Wahrnehmung und Korrektur der eigenen Stimme). Singen ist also ein ideales Training für Selbstreferenz, Selbstkontrolle, Selbststeuerung und Selbstkorrektur.


Wer seine Singfähigkeit in der Kindheit entfalten konnte, der kann diese Effekte später über den ganzen Lebensbogen bis ins Alter nutzen. Denn Singen fördert in jeder Lebensphase die Potentialentfaltung des Gehirns.



Expertise von Prof. Gerald Hüther, Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung an den Universitäten Göttingen, Mannheim/Heidelberg

Aus www.il-canto-del-mondo.de


"Wer Musik macht hat mehr vom Gehirn"

MUSIK & IQ

"Children who play music tend to be smarter, because they put a demand on the brain. It engages the brain to operate on a higher level",  Anat Baniel, clinical psychologist



Schellenberg-Studie


Glenn Schellenberg, a leading figure in the study of music-to-make-you-smarter, uncovered a greater IQ increase (in full-scale IQ) in 144 children enrolled in music classes (keybord or voice) compared with well-matched children who received no musical lessons (2004). IQ was measured before and after the lessons.


The findings indicate that music lessons cause small increases in IQ, but comparable nonmusical activities do not have similar consequences. 

Quelle: Music lessons enhance IQ, Schellenberg EG 2004



Bastian-Studie


In der bekannten Langzeitstudie „Zum Einfluss von Musikerziehung auf die Entwicklung von Kindern“ hat sich gezeigt, dass singende Schüler in ihren allgemeinen Schulleistungen (das sind die Hauptfächer Mathematik, Geometrie, Deutsch, Englisch) wiederholt besser abschnitten als Kinder, die „nur“ ein Instrument spielten. Dieser Befund traf auch für eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen zu. Demzufolge vermuten wir, dass das Singen einen unmittelbareren und intensiveren Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und auf spezifische Leistungsvariablen hat, als das Spielen eines Instrumentes. Dem Instrument Stimme war im Sinne von Transfereffekten kein zweites überlegen...“


Quelle: Singen ist zukunftsweisend, Karl Adamek

Spracherwerb

Warum Singen beim Sprachenlernen hilft

Es gilt in der neurowissenschaftlichen Forschung als gesichert, dass gehirnphysiologische und funktionale Mechanismen der Musikverarbeitung zusammenhängen. Die Wahrnehmung der Sprache und Musik wird von sich stark überlappenden Nervenzellnetzwerken bewerkstelligt (Prof. Jäncke 2008). Ferner hat es sich erwiesen, dass Singen und Sprechen sich weitgehend in ihren zerebralen Aktivierungsmustern decken (Merker 2014). Diese Sachverhalte bilden den neurophysiologischen Hintergrund dafür, dass der Erwerb der Muttersprache, aber auch der von Fremdsprachen, durch Singen/musikalische Aktivitäten und Erfahrungen gefördert werden kann.


  • Die Schulung des Hörsystems durch Singen/Musizieren wirkt sich positiv sowohl auf Sprachwahrnehmung als auch auf die Aussprache aus. So können die Wahrnehmung und Aussprache von Fremdsprachen durch musikalische Aktivitäten verbessert werden (Jäncke)


  • Musikalische Früherziehung durch Singen kann bei dem Spracherwerb so effektiv sein wie Sprachtraining“, Gunter Kreutz


  • "Musizierende Kinder können komplizierte Sätze besser verstehen", Lutz Jäncke



Aus dem Artikel: Warum Singen beim Sprachenlernen hilft, Jessica Richter, Universität Wien:


Singen ist ja nicht gleich Singen: Ist es das Rhythmusgefühl, das die Aussprache verbessert, die Kreativität, die Stimme? „Besonders essenziell ist die Stimmqualität, die sich selbst erst nach Gesangsunterricht entwickelt. Diese macht zusammen mit dem Gefühl für Rhythmus und Melodie einen wesentlichen Unterschied aus“, fasst Markus Christiner, Institut für Sprachwissenschaft, Wien, zusammen. Weiter erklärt er noch: "Sänger/-innen können sich die Sprache aber räumlich vorstellen, Töne in Höhen und Linien denken und erinnern. Sie tun sich daher leichter".


Quelle :

- Transfer-Effekte und Wirkungen musikalischer Aktivitäten auf ausgewählte Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung, Expertise Prof. Dr. Heiner Gembris, Bertelsmann Stiftung

-Warum Singen beim Sprachenlernen hilft, Jessica Richter, Universität Wien (medienportal.univie.ac.at)

Singen fördert pro-soziales Handeln

In einem Experiment mit 96 Kindern im Alter von vier Jahren haben Forscher die Frage untersucht, inwieweit gemeinsames Musizieren und Singen pro-soziales Verhalten fördert. Sie fanden heraus, dass die Kinder aus der Musikgruppe im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant hilfsbereiter und kooperativer waren (Kirscher und Tomasello 2010). 


Dabei konnten sie auch beobachten, dass die Kinder nach dem Singen/Musizieren unmittelbare Empathie und ein verstärktes Engagement gegenüber den anderen Kindern zeigten. Sie erklären ihre Ergebnisse so, dass gemeinsames Singen/Musizieren dazu führt, dass durch die Synchronisierung von gemeinsamen Bewegungen und vokalem Ausdruck eine konstante audiovisuelle Repräsentation von gemeinsamen Intentionen aufrecht erhalten wird, die wiederum das menschliche Grundbedürfnis nach geteilten Emotionen, Erfahrungen und Aktivitäten effektiv erfüllt. 


Es wurde gezeigt, dass rhythmische Synchronisierung Gemeinschaftsgefühl erzeugt und dieses wiederum emotionales Verhalten/Mitgefühl und Altruismus moduliert (Valdesolo &DeSteno 2011).

-->Die Musik stellt kein nutzloses Nebenprodukt der menschlichen Evolution dar, sondern erfüllt bis heute innerhalb der Entwicklung des Menschen unverzichtbare soziale, kommunikative und psychologische Funktionen (Merker 2014).


Quelle : Transfer-Effekte und Wirkungen musikalischer Aktivitäten auf ausgewählte Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung, Expertise Prof. Dr. Heiner Gembris, Bertelsmann Stiftung

Singen macht glücklich und gesund

„Es scheint, dass wir durch das Singen widerstandsfähiger werden. Singen kann unsere Reserven an positiver Gestimmtheit auffüllen.“ Gunter Kreutz


Einflüsse von Musik auf Wohlbefinden, Selbstvertrauen, Lebensqualität und Gesundheit


Diese Thematik hat in der Forschung der jüngeren Zeit zunehmende Aufmerksamkeit gefunden. Im Vordergrund stehen dabei insbesondere die Wirkungen des Singens und aktiven Musizierens. Wie Kreutz (2015) heraushebt, entsteht durch Singen «ein übergeordnetes Gefühl von Identität, das ermöglicht, diese als Teil eines Ganzen zu begreifen".

Zu den durch Forschungen belegten Auswirkungen des Singens auf die Psyche zählen u.a.:

-Verbesserung der Stimmung und des allgemeinen psychischen Wohlbefindens

-Entspannung und Stressminderung

-geistige Aktivierung

-verbessertes Selbstbild, erhöhte Selbstwirksamkeit

-Gefühle sozialer Verbundenheit.


Quelle : Transfer-Effekte und Wirkungen musikalischer Aktivitäten auf ausgewählte Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung, Expertise Prof. Dr. Heiner Gembris, Bertelsmann Stiftung


Singen fördert glückliches Zusammenleben


"Wenn ein wichtiges Ziel aller pädagogischen Arbeit ein möglichst friedliches, beseeltes, sinnerfülltes, glückliches und gesundes Zusammenleben der Menschen ist, dann ist eine lebendige Singkultur unentbehrlich, wie auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen. Eine Gesellschaft, in der die Menschen in ihrem Alltag singen, ist neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge zukunftstauglicher." Karl Adamek


Es konnte für Erwachsene gezeigt werden: Menschen, die regelmässig im Alltag singen, sind im Vergleich zu „Nicht-Singern“ durchschnittlich signifikant gesünder, und zwar sowohl psychisch als auch physisch. Sie sind im Durchschnitt lebenszufriedener, sind ausgeglichener und zuversichtlicher, haben ein grösseres Selbstvertrauen, häufiger gute Laune, verhalten sich zumeist sozial verantwortlicher und hilfsbereiter, und sind psychisch belastbarer.


Singen reduziert Angst und Gewalt, bringt mehr Empathie, Friedlichkeit und macht glücklich, nicht nur, weil beim Singen Glückshormone ausgeschüttet werden, sondern auch, weil man durch Singen die eigenen Emotionen besser regulieren kann. Diese Regulation der Emotionen durch Musik wurde von Prof. Robert Zatorre an der McGill University Montreal bewiesen. (From perception to pleasure : music and its neural substrates, 2013)


„Singen ist den empirischen Befunden zufolge ebenso wichtig für die Enfaltung der Fühlfähigkeit wie das Sprechen-Können für die Entwicklung des Denkens“, Karl Adamek


Quelle: Singen ist zukunftsweisend, Dr. Karl Adamek, Musiksoziologe

Übers Frühmusizieren

(Aus dem Artikel "Early music lessons boost brain development")

Montreal researchers find that music lessons before age seven create stronger connections in the brain:


The study provides strong evidence that the years between ages six and eight are a „sensitive period", when musical training interacts with normal brain development to produce long-lasting changes in motor abilities and brain structure. Learning to play an instrument requires coordination between hands and with visual and auditory stimuli. Practicing an instrument before age seven likely boosts the normal maturation of connections between motor and sensory regions of the brain, creating a framework upon which ongoing training can build.


„It's important to remember that what we are showing is that early starters have some specific skills and differences in the brain that go along with that. Musical performance is about skill, but it is also about communication, enthusiasm, style and many other things that we don't measure. So, while starting early may help you express your genius, it probably won't make you a genius.“ says Penhune.


Quelle: Early Musical Training and White-Matter Plasticity in the Corpus Callosum: Evidence for a Sensitive Period, Penhune, Zatorre (2013), co-directors International laboratory for Brain, Music, and Sound Research

Chorsingen & Medizin

«Die Wirksamkeit des Singens objektiv zu überprüfen ist nicht schwieriger, als die Effekte von Yoga oder Physiotherapie zu belegen»,

Prof. Dr. Gunter Kreutz, Musikwissenschaftler, Universität Oldenburg



Beim Singen:


-Beim gemeinsamen Singen wird signifikant mehr Oxytocin (=Glückshormon) ausgeschüttet als beim miteinander Reden


-Die Konzentration von Immunoglobulin A im Speichel ist signifikant erhöht. Dieses Protein schützt die oberen Atemwege gegen Viren und Bakterien


-Gleichzeitig sinkt die Konzentration des Stresshormons Cortisol



Es gibt mittlerweile kaum einen Bereich in der Medizin, in der nicht versucht wird, mit Musik gesundheitsfördernde Effekte zu erzielen: In der Schmerztherapie, bei Tinnitus, Depression, Parkinson und Demenz versuchen Musiktherapeuten ihr Wissen einzubringen, um den Kranken zu helfen. Nach einem Schlaganfall versuchen Menschen mit Musik ihre Bewegungen wieder zu koordinieren. Bei Alzheimer-Patienten vermag gemeinsames Singen verblasste Erinnerungen zurückzuholen. Auch bei Frühgeborenen wird die Musiktherapie intensiv eingesetzt.


Was Forscher bislang an wasserdichten Beweisen für die positiven Auswirkungen des Singens in der Hand halten, ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs.


Ein paar Beispiele von zahlreichen Studien:

-Singing therapy helps stroke patients speak again (Schlaug, musicbrain.com)

-Why musical memory can be preserved in advanced Alzheimers disease (2015)

-Community singing groups for people with chronic obstructive pulmonary disease

-Music and autism (Schlaug, musicbrain.com)

-Do hospitalized premature infants benefit from music interventions?

-Beruhigende Wirkung vom Chorsingen auf den Herzrhythmus (Schwedische Studie)


Quelle: Musik als Medizin(br.de)

Sing Dich gesund